Fehlbildungen des Urogenitaltrakts werden nach Bostwick in 10% der Bevölkerung angetroffen und sind damit die größte Gruppe von Anomalien.
Einige der Fehlbildungen sind kombiniert, bspw. Megaureteren und Nierendysplasie, bzw. sind Teil von multiplen Fehlbildungskomplexen z.B. Prune Belly-Syndrom. Hier ist auch die bei der Nierenagenesie zu beobachtende Kombination mit Anomalien des Genitaltraktes (z.B. das einseitige Fehlen des Samenleiters zu erwähnen) Literatur:Bostwick, D. G.: "Urologic Surgical Pathology", Mosby St. Louis, 1997.
Die Ultraschalltechnik erlaubt bereits die perinatale bzw. postnatale Diagnostik dieser Veränderungen und damit ein rechtzeitiges postnatales Einschreiten. Die Fehlbildungen sind angeboren, werden im Kindesalter auffällig, aber zum Teil auch erst im Jugendlichen- bzw. Erwachsenenalter erkannt.
Entscheidend ist dabei die Frage der Therapie. Während in früheren Zeiten operative Maßnahmen im Vordergrund standen, ist jetzt zumindest bei einzelnen Fehlbildungen eher ein abwartendes Verhalten indiziert. So zeigt sich, dass bei verschiedenen Formen des Megaureter bei abwartender Haltung eine Normalisierung ohne Korrigierende Operationen eintritt.
Hier ist auch die differenzierte, z.T. die Reifung abwartende Behandlung des Vesikoureteralen Refluxes zu nennen.
Andere Hemmungsmissbildungen erfordern ein rascheres, z.T. operatives Vorgehen, z.B. bei Hodendeszensusstörungen.
Fehlentwicklungen der Geschlechtsdifferenzierung führen zu erheblichen organischen und nicht zu vernachlässigenden psychischen Schäden. Pseudohermaphroditismus bzw. adrenogenitales Syndrom sind hier beispielhaft zu nennen, die nicht immer bereits im frühen Kindesalter zur Behandlung kommen.
Auch die Hemmungsmissbildungen der männlichen Harnröhre (Hypospadie) oder die zumeist in Kombination mit einer Blasenekstrophie auftretende Epispadie sind bei frühzeitig einsetzender Korrektur mit einem Spektrums an Operationsmethoden zu beherrschen.
Kongenitale Anomalien der Nieren und der ableitenden Harnwege sind wesentliche Ursachen chronischer und im Endstadium befindlicher Niereninsuffizienz bei Kindern.
Die Bestimmung der Nierenfunktion ist daher ein wichtiges Werkzeug in der Prädiktion und der Behandlung der kongenitalen Anomalien. Chronische oder terminale Niereninsuffizienz im Säuglings- oder Kindesalter kann heute durch zunehmend bessere medizinische Versorgung mit guten Resultaten behandelt werden. Das beeinflusst die Motivation, sich der Kinder mit angeborenen Anomalien der Niere und des Harntraktes intensiv und nachhaltig anzunehmen. Besonders wenn die Nierenfunktion frühzeitig Fehler aufweist, hat die konservative Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz bzw. der Endstage-Disease die Prognose der erkrankten Kinder erheblich verbessert. Medikamentöse Behandlung und vor allem aber Dialyse und Nierentransplantation sind hier zu nennen.
Die Fehlbildungen des Urogenitaltraktes stellen insgesamt eine große Gruppe behandlungsbedürftiger Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter dar, die in ihrer Komplexität hohe Anforderungen an die Urologen stellen.