Störungen der Geschlechtsdifferenzierung
Geschlechtsbestimmung
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- Abbildung 2: 25jähriger Mann mit Persistierendem-Müller-Gang-Syndrom
- Intraoperativer Situs mit zwei Hoden, Uterus, tubulären Strukturen in einer Leistenhernie
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Die Geschlechtsbestimmung ist mit der Befruchtung festgelegt. Der Chromosomensatz enthält entweder zwei X-Chromosomen (weiblich) oder ein X- und ein Y-Chromosom
(männlich).
Das chromosomale Geschlecht differenziert sich im zweiten bis dritten Fetalmonat unter dem Einfluss der Gonade in die männliche oder weibliche Richtung (Abbildung 1). Das männliche Hormon bewirkt die Geschlechtsdifferenzierung, d.h. zum Männlichen, fehlt das Hormon, so geht die Entwicklung zum Weiblichen.
Bereits pränatal sind Intersexformen diagnostizierbar. Diese komplexen Krankheitsbilder entstehen durch eine anormale Sexualdifferenzierung wobei das Zusammenspiel vieler Gene beteiligt ist. Die Behandlung bzw. Rekonstruktion des abnormalen Genitaltraktes hat die Herstellung eines wenigstens annähernden Normalzustandes und Sexualfunktion zum Ziel.
- Die Störungen der Geschlechtsdifferenzierung haben verschiedene Ursachen. Zu unterscheiden sind (
Formen sexueller Differenzierungsstörungen):
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- Störungen der Entwicklung des genetischen Geschlechts (z.B. Turner-Syndrom - Gonadendysgenesie und der seltene Hermaphroditismus verus mit Gonaden beiderlei Geschlechts im selbem Individuum)
- Störungen der Entwicklung des gonadalen Geschlechts
- Hermaphroditismus verus mit Gonaden beiderlei Geschlechts im selben Individuum
- Störungen des phänotypischen Geschlechts z.B.:
Pseudohermaphroditismus mit maskulin oder feminin definierten Gonaden. Jedoch sind die übrigen Geschlechtsteile nicht oder immerhin teilweise angelegt. Die
Konvergenz zum anderen Geschlecht kann dann etwa nur die inneren ableitenden Geschlechtsorgane betreffen. So ist beim Pseudohermaphroditismus maskulinus
eindeutiges (zum Teil dysgenetisches) Hodengewebe vorhanden, aber infolge gestörter Testosteronbiosynthese bzw. 5-α-Reduktase-Mangel liegt weiblich
ausgeprägtes äußeres Genitale vor. Zum anderen können neben regulär ausgebildetem männlichen Genitale Uterus, Tuben und Teile der Scheide vorliegen, z.B. in einer
Hernia inguinalis (Abbildung 2)
Literatur:Deeb, A., Huhges, I. A.: "Inguinal Hernia in female infants: a cue to check the sex chromosomes?", BJU int, 96, 401-403, 2005.
Fernerhin führen angeborene Nebennierenrindenenzymdefekte zu Hyperandrogenismus beim weiblichen Geschlecht mit Klitorishypertrophie bzw. vollständiger
Vermännlichung.
- Adrenogenitales Syndrom
Verschiedene Formen der intersexuellen Entwicklung des weiblichen Genitale sind nach Prader zu unterscheiden und zwar bei zunehmender Virilisierung des weiblichen Genitale. Das Einteilungsschema ist auch für fehlerhafte Ausprägungsgrade des männlichen Genitale verwendbar. Zwischen dem weiblichen und dem männlichen Genitale werden fünf Übergangsstufen unterschieden (Abbildung 3).
- Stadieneinteilung nach Prader:
Literatur:Prader, A.: "Der Genitalbefund beim Pseudohermaphroditismus femininus des kongenitalen Syndroms", Helv. Pediatr. Acta, 9, 231-248, 1954
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- Klitorishypertrophie
- Klitorishypertrophie, trichterförmiger Sinus urogenitalis, zusammenliegende Vagina- und Urethramündung
- Phallusartige Gebilde, enger Sinus urogenitalis, beginnende Bildung der Labia majora
- Phallus mit dorsaler Präputialschürze, Fältelung der Labia majora
- Urogenitalmündung an der Spitze des Phallus, "Skrotum" ohne tastbare Testes, männliches äußeres Genitale
Eine neue Klassifizierung der genitalen Zweideutigkeit bzw. urogenitalen Sinus wird von Rink et al beschrieben. Dabei wird der Grad der Vermännlichung, die Größe des Phallus (P), die Lokalisation der vaginalen Konfluenz in Bezug zum Harnblasenhals und dem perinealen Meatus bestimmt (V) und das Erscheinungsbild des äußeren Genitale in der Nummerierung nach Prader (E). Die PVE-Klassifikation soll die operative Planung unterstützen und bei der Bewertung des operativen Ergebnisses bei genitalen Abnormalitäten helfen
Literatur:Rink, R. C. et al: "A new classification for genital ambiguity and urogenital sinus anomalies", BJU, 95, 638-642, 2005.