Bei dem vier Jahre alten Jungen wurde wegen Hydrozele bzw. Verdacht auf Leistenbruch ausgehend von einer queren Inzission über dem Leistenband der Bruchsack freigelegt.
Die Fixierung des Hodens am unteren Ende des Hodensackes wurde durchtrennt (Gubernaculum), dann vorsichtige Präparation des Bruchsackes. Die Fasern des Musculus cremaster wurden entsprechend durchtrennt. Dabei fiel auf, dass der hier zu erwartende Samenleiter nicht zu tasten bzw. nicht zu erkennen war. Die Präparation des Bruchsackes erfolgte in typischer Weise bis zum inneren Leistenring. Danach Resektion, Unterbindung und nochmalige Inspektion des Bruchsackendes. Hier findet sich der Samenleiter, der typischerweise eng mit dem Bruchsack verbunden ist (Abbildung HG1). Es zeigt sich aber, dass er bereits nach cranial durchtrennt ist. Nach Angaben des Operateurs fand sich eine Lücke (Dehiszenz) der Samenleiterenden von 6 cm. Eine Annäherung der Schnittenden war bei dieser Distanz nicht mehr möglich (um eventuell später eine Anastomose zu versuchen). Eine unmittelbare Rekonstruktion, d.h. End-zu-End Anastomose (Wiedervereinigungsnaht) im Kleinkindesalter erscheinen nicht aussichtsreich
Literatur:Hadziselimovic, F.: "Hodendystopie" in Thüroff: "Kinderurologie", Thieme Stuttgart, 1997.
Bei der gutachterlichen Bewertung der Samenleiterdurchtrennung war kein Behandlungsfehler festzustellen, da in Übereinstimmung mit der Literatur bei Operationen im Kleinkindesalter trotz aller Sorgfalt eine unbemerkte Durchtrennung des Ductus deferens möglich ist. Die Kommission der zuständigen Ärztekammer für Fragen der ärztlichen Haftpflicht folgte diesem Gutachtervorschlag Literatur:Bichler, K.-H.: "Das urologische Gutachten", Springer Berlin, 2004.